Von Michael Jolles
Die neue digitale Ausgabe der Encyclopaedia of British Jewish Cantors, Chazanim, Ministers and Synagogue Musicians: Their History and Culture (Enzyklopädie britisch-jüdischer Kantoren, Chazanim, Minister und Synagogenmusiker: ihre Geschichte und Kultur) ist erschienen. Die Enzyklopädie ist hervorragend recherchiert und bietet auf 1000 Seiten einen Überblick über die Geschichte der britischen Kantoren.
Der Autor des Buches ist Michael Jolles, von Beruf Arzt. Nach einer ersten gedruckten Ausgabe von 871 Seiten im Jahr 2021 beschloss er, die Enzyklopädie in digitaler Form zu veröffentlichen. Diese einzigartige Entscheidung ermöglichte es ihm, sein Werk in den Jahren 2022, 2023 und 2024 zu aktualisieren. Der Autor wollte, dass die Enzyklopädie ein „lebendes Buch“ wird, das sich durch die Aufnahme von Informationen neuer Autoren und seiner eigenen Forschung weiterentwickelt. Eine weitere Besonderheit ist, dass das gesamte Werk nun auf Anfrage beim Autor kostenlos heruntergeladen werden kann (siehe Link am Ende des Artikels).
In diesem imposanten Werk beginnt die eigentliche Enzyklopädie erst auf Seite 200, denn der erste Teil enthält mehrere Kapitel über die Kantorei im Allgemeinen und ihre Geschichte in Großbritannien im Besonderen.
Teil I – Prolegomena, Hintergründe und Analysen
Dieser erste Teil enthält mehrere Kapitel über die verschiedenen synagogalen Funktionen, die mit Gesang und Musik und ganz allgemein mit dem reibungslosen Ablauf des Gottesdienstes verbunden sind.
So erfährt man beispielsweise von der pädagogischen Rolle, die dem Kantor in vielen Gemeinden über seine liturgische Funktion hinaus zugeschrieben wird. Auch der Synagoge und ihrer Ausstattung sind mehrere Abschnitte gewidmet. Die Gesetzeslesung und ihre Verzierung durch biblische Akzente (Te’amim), das Schofar, die Partituren und andere Themen werden ebenfalls kurz behandelt, mit Verweisen am Ende der Seite für alle, die mehr wissen möchten.
Wissen Sie, was ein Shoosher ist? Das ist ein Synagogenbesucher, der mit einem lauten “Shhhh!” die Schwätzer zum Schweigen bringt. „Manchmal – so der Autor ironisch – verursacht der Shoosher mehr Lärm als das Geschwätz, das er zum Schweigen bringen soll!”.
Ein besonders interessanter Abschnitt betrifft die Musiktheorie des liturgischen Gesangs. Hier findet sich unter anderem eine Auflistung der musikalischen Modi, die als Steiger (Shteyger) oder auch Gust bezeichnet werden. Die seit undenklichen Zeiten übernommenen Melodien heißen Nigunim mi-Sinai und beziehen sich auf die Vorstellungswelt einer am Berg Sinai empfangenen Tradition. Auf diese Weise vermittelt Jolles seinen Lesern die Feinheiten eines Handwerks, das normalerweise nur mündlich von Meister zu Schüler weitergegeben wird.
Eine andere Art von Information, die in diesem Abschnitt enthalten ist, betrifft die Geschichte der britischen Synagogalmusik.
In einem Kapitel mit dem Titel „The state of the cantorate“ stellt der Autor eine Topographie der Bräuche, Personen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Hazzanut (“Kantorenkunst”) in England in den letzten sechzig Jahren vor. Ein ganzes Kapitel ist der Migrationsgeschichte der Hazzanim nach England gewidmet. Jahrhundert nach Großbritannien kam, zog der spanisch-portugiesische sephardische Ritus Meister dieser Tradition aus Europa und Nordafrika an. Im 19. und 20. Jahrhundert waren es aschkenasische Hazzanim aus Osteuropa, die nach Großbritannien kamen. Die britischen jüdischen Gemeinden nahmen viele jüdische Familien auf, die vor Verfolgung oder Epidemien geflohen waren. So trug das Unglück der einen zum musikalischen Reichtum der anderen bei.
Zu den ungewöhnlichen Ereignissen in der Geschichte des englischen Hazzanut gehören Zeremonien, die mit dem Leben der königlichen Familie verbunden waren. So wurden 1901 Gottesdienste zum Gedenken an Königin Victoria abgehalten, die am 22. Januar desselben Jahres verstorben war. Im Laufe der Jahre wurden auch spezielle Gebete für wichtige Daten der königlichen Familie verfasst.
Zweiter Teil – Alphabetisches Register
Der zweite und größte Teil des Buches ist eine Enzyklopädie, die mehr als 750 Seiten umfasst. Hier werden alle Funktionen beschrieben, die mit synagogaler Musik zu tun haben. Der Umfang der Recherchen ist beeindruckend: Man findet die Biographien der Synagogenmusiker, die Karrieren der Komponisten und Arrangeure, die Namen der Chorsänger und ihrer Chorleiter, aber auch die Biographien der Forscher und Musikwissenschaftler, der Rabbiner und Mäzene und im weiteren Sinne aller Personen, die mit dem liturgischen und musikalischen Leben der Synagogen verbunden waren.
Der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit diesem Buch die Erinnerung an all jene wach zu halten, die zum musikalischen Leben der britischen Synagogen beigetragen haben. Auch wenn er noch weitere Nachforschungen anstellt, um zukünftige digitale Ausgaben des Buches zu erweitern, kann seine Mission als erfüllt betrachtet werden. Darüber hinaus ist die Encyclopaedia of British Jewish Cantors, Chazanim, Ministers and Synagogue Musicians: Their History and Culture dank der 200 Seiten umfassenden Einführung zu einer unentbehrlichen Quelle für jeden geworden, der sich für die verschiedenen Aspekte des Hazzanut interessiert.
Um eine digitale Kopie dieser Enzyklopädie zu erhalten, wenden Sie sich bitte per E-Mail an die European Cantors Association: DownloadJollesEncyclopaedia@cantors.eu