Cheikh Mwijo (1937-2020)

Scheich Mwijo, dessen richtiger Name Moshe Attias war, wurde 1937 in Meknes (Marokko) geboren und starb am 2. Mai 2020 in Kiryat Atta (Israel). Er war einer der größten Musiker der marokkanisch-jüdischen Folklore in Israel.

Wie viele andere marokkanische-jüdische Künstler, entstammt auch Moshe Attias einer Linie von Sängern und Komponisten, welche bis zu seinem Großvater zurückreicht. Sein Vater Vaakov Attia war Perkussionist und spielten neben Mordecai Elmaghribi, dem Vater von Slimane Elmaghribi, im Ensemble von Mâalem (Meister) Ben Haroush. Ben Haroush ließ sich in Israel nieder und Mwijo stand ihm in seinen letzten Tagen bei. Zum Dank für diesen Beistand, überreiche Ben Haroush ihm seine Liederbücher, welche er selbst einst erhalten hatte.

Dieser Liederbücher wurden zur Quelle seines großen und umfangreichen Repertoires. Wie viele marokkanisch-jüdische Musiker, verhielt sich Mwijo diskret in Bezug auf seine Arbeit und gewahr daher niemanden und nicht mal Forscher, Einblick in seine Notizbücher. Doch auf Anfrage von Professor Yossef Chetrit der Universität Haifa, nahm Mwijo eine Reihe von Liedern auf, welche aus seinem Aufzeichnungen stammten. Chetrit notierte diese Lieder, für sein Werk über die judäo-arabische Poesie Marokkos. Infolge eines Interviews aus dem Jahr 2011, erklärte Christopher Silver, dass Mwijo der einzige Musiker seit Ben Haroush sei, der diese Lieder beherrsche. Mwijo beanspruchte selbst, 1000 Lieder der Mâalem zu kennen, was ihm den Ehrentitel „Sheikh“ (Meister) einbrachte.

d33-30_725_couv_300px.jpg1962 zog er im Alter von 35 Jahren nach Israel. Als er eines Tages in einem Café von Haifa saß, begann er spontan ein paar Lieder zu singen, was die Café-Besitzer bewegte und zu Tränen rührte. Dieses Ereignis, zusammen mit der Zeit der Arbeitslosigkeit, welche er durchleben musste, aber auch seine außerordentliche Kenntnis des familiären Liederrepertoires und seine einzigartige Stimme, brachten ihn dazu, eine Vollzeit-Musikkarriere zu starten.

Er begann zu singen und Mandoline zu spielen. Bei der Mandoline handelt es sich um ein Instrument, welches vor allem in der algerischen Musik zum Einsatz kommt. Nach kurzer Zeit wechselte er zur Kemanja, einer maghrebinischen Geige, welche vertikal gespielt wird.

Zwischen 1962 und 1970 schrieb und verkaufte Mwijo seinem Freund aus Meknès, Sliman Elmaghribi, rund 40 Lieder. 1969 begann Mwijo seine eigenen Lieder, bei dem Label Koliphone / Zakiphon aufzunehmen. 
Über seine gesamte Karriere hinweg, blieb Mwijo ein unauffälliger Künstler, innerhalb der israelischen Musikszene. Im Gegensatz zu den meisten zeitgenössischen marokkanisch-jüdischen Künstlern, blieb er seiner Heimatgemeinde sehr verbunden und spielte fast ausschließlich für Familien- und Gemeindeveranstaltungen. Obwohl er mehr als 100 Alben aufgenommen hat, blieben doch seine Konzerte eine Haupteinnahmequelle. Außerdem, erlebte Mwijo, anders als seine Zeitgenossen Jo Amar und Samy Elmaghribi, welche beide internationale Anerkennung erlangten, den Großteil seiner Karriere in der marokkanisch-israelischen Szene.

Mwijo war ein facettenreicher Künstler. Sein Repertoire war vielfältig, in Bezug auf Textgattungen und Musikstile. Doch er blieb dem Maghrebinischen Arabisch, versehen mit einem Akzent aus Meknès, treu. Diese Tatsache beweist seinen Widerstand, gegen die zionistische Ideologie der Wiederbelebung der hebräischen Sprache und der damit verbundenen israelischen Kultur. Selbst wenn Mwijo auf Hebräisch sang, war seine Sprache doch von arabischen Vokabeln und grammatikalischen Formulierungen geprägt. Dieser Stil beschränkte ihn auf ein kleines Publikum. Doch heute betrachten viele Israelis marokkanischer Abstammung, Mwijo als einen ikonischen Künstler der marokkanischen Musik, weil er sich der arabischen Umgangssprache bediente.

Sein Repertoire zeigt auch die Zwiespältigkeit der marokkanisch-jüdischen Identität. Religiöse Inbrunst vermischt sich mit modernen säkularen Praktiken und traditioneller Musik und traditionellen Texten und verschmilzt mit verschiedenen zeitgenössischen urbanen Stilen.

Die Verehrung von Heiligenfiguren ist ein wichtiger Brauch der marokkanischen Frömmigkeit; Hilulot (jährliche Feiern zum Tod großer Rabbiner) gehörten zu den wichtigsten Auftritten von Mwijo in Israel und anderswo.

Scheich Mwijo nahm nur wenige Pijjut und Bakashot im marokkanisch-andalusischen Stil auf. Er komponierte und sang jedoch zahlreiche Pijjut auf Hebräisch und Arabisch auf Hebräisch, zu Ehren der marokkanischen Tsaddikim (Weisen).  Unter den großen Rabbinern, denen er Tribut zollte, befinden sich im Besonderen Mitglieder der Abuhatzira-Dynastie, beginnend bei deren Gründer, R. Yaacov Abuhatzira.

d33-30_728_couv_300px.jpgIn den 1970er Jahren trat er vor allem im Ausland und häufig in Frankreich auf. Bei einem dieser Aufenthalte in Frankreich, bat ihn ein Marokkaner, ein Konzert in Deutschland zu geben. Auch nachdem ihm 10000 Deutsche Mark angeboten wurden, eine zur damaligen Zeit sehr hohe Summe, lehnte Mwijo dieses Angebot ausdrücklich ab und begründete dies mit der Shoah. Anschließend ging er ins Casino, spielte am Automaten und gewann das Äquivalent zu 10000 Deutsche Mark!

Der vorherrschende Stil der arabischen Lieder von Mwijo, ist der algerische Châabi. Er zog den „zarteren und feineren“ algerischen Gesangsstil, wie er es selbst mit eigenen Worten formulierte, dem marokkanischen Gesangstil vor, obwohl Melhoun-Lieder des marokkanischen Stils ein fester Bestandteil seines Repertoires waren. Doch mit Fortschreiten seiner Karriere, vervielfältigte er sein Repertoire und vergrößerte sein Publikum, indem er auch Lieder auf Hebräisch aufnahm. Nach der Ermordung von Yitzhak Rabin, nahm Mwijo ein bewegendes Lied, zu seinen Ehren mit türkischer Musik auf. Schließlich arbeitete er auch mit zahlreichen Künstlern zusammen, darunter der Pianist Maurice El Medioni und sein Bühnenpartner, der Oud-Spieler Nino Bitton.

Zu seinen bekanntesten Lieder gehören „Tanjiya“,Ma Kayan Kheir“,Ibrahim Al-Khalil“, „A ibad Allah“, „A labnat“ und „Ghazali houa Sabab“.

Quelle: Jewish Music Research Center, Edwin Seroussi

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