Fromental Halévy (1799 – 1862) – Sa vie, sa musique

Von Karl Leich-Galland

Seit den 1980er Jahren arbeitet der Musikwissenschaftler Karl Leich-Galland an der Wiederentdeckung der französischen Musik der Romantik des 19. Jahrhunderts, über den Umweg der Veröffentlichung von Partituren, Booklets, vergriffenen Werken und Pressemappen. Er ist auch der Initiator eines Fromental Halévy (1799 – 1862) gewidmeten Symposiums, anlässlich der Wiederaufnahme seiner berühmte Oper La Juive in den Spielplan der Opéra Bastille, im Februar 2007. Das hier vorgestellte Buch Fromental Halévy (1799 – 1862) – Sa vie, sa musique, wurde 2020, im Verlag Musik-Edition Lucie Galland veröffentlicht und bietet eine ausführliche Zusammenfassung, seiner Recherchen, über Leben und Werk von Fromental Halévy, einem israelitischen Komponisten, der seiner Zeit, ebenso wie Daniel-François-Esprit Auber (1842-1871), als einer der Meister der Schule der französischen Musik galt.

portrait_280px_vertic.jpgAls Mitglied einer jüdischen Familie, die väterlicherseits aus Bayern und mütterlicherseits aus Lothringen stammte[1]Élie Halphen Levy, Sohn eines Rabbiners, stammte ursprünglich aus Fürth, in Bayern. Zu Zeiten der Revolution kam er nach Frankreich, um die Bürgerrechte zu erhalten. Um 1790 ließ er sich in … Lire la suite, bewies Fromental Halévy genau das Profil eines französischen israelitischen Musikers, mit dem Erbe der Ideale der Revolution, dankbar gegenüber Frankreich für die Emanzipation seines Volkes und treu dem Glauben seiner Väter. Auch wenn sein Vater Élie Halévy, der Sohn eines Rabbiners, Chorist in verschiedenen Synagogen und später auch Sekretär am israelitischen Konsistoriums von Paris war, war Fromental Halévy nicht religiös praktizierend… was ihn nicht daran hinderte, 1842 Léonie Rodrigues-Henriques, die Tochter einer frommen israelitischen Familie aus Bordeaux, zu heiraten.

p_933_couv_la_juive_halevy_300px_vertic.jpgEin Großteil des Buchs von Karl Leich-Galland, widmet sich der Analyse der Opern von Fromental Halévy, ihre Konzeption, ihre zeitgenössische Rezeption des Publikums und der Kritiker. Fromental Halévy komponierte nicht weniger als 36 Opern, darunter La Juive (1835), welche bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mehr als 500-mal aufgeführt wurde, La reine de Chypre (1841), La dame de Pique (1850), Le Juif errant (1852) oder auch Noé, eine posthum veröffentlichte unvollendete Oper, die 1868-69 von Georges Bizet (dem Schwiegersohn von Fromental Halévy) und später dann von einem unbekannten Komponisten, vollendet wurde, bevor sie schließlich 1885 in Karlsruhe (Deutschland) aufgeführt wurde.

Dieses ausführlich dokumentierte Buch gibt aufschlussreiche Auskunft über das Leben des Komponisten und – was besonders interessant ist – sein Verhältnis zum Judaismus. Man erfährt außerdem, im Laufe des Buchs, dass Fromental Halévy mit nicht mal 10 Jahren, am Conservatoire von Paris in die Kompositions-Klasse von Luigi Cherubini aufgenommen wurde. Im Alter von 15 Jahren war er Tutor der Musiktheorie am Conservatoire. Mit 17 und 18 Jahren, erhielt er jeweils den zweiten Preis des Grand Prix de Rome, bevor er schließlich 1819, im Alter von 20 Jahren, den ersten Preis erhielt. Nach der Ermordung des Herzogs von Berry in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1820, komponierte er, auf Bitten der Pariser Konsistorialbehörden und Luigi Cherubinis, ein De profundis en hébreu (Psalm 130 Mimaamakim), welches am 24. März 1820 im Pariser Tempel der Rue Saint-Avoie aufgeführt wurde. Das stattliche Werk, mit einer Länge von rund 25 Minuten wurde für den dreistimmigen Männerchor und das große Orchester komponiert. Israël Lovy (1773-1832), der erste Kantor des israelitischen Tempels war für die Soli verantwortlich. Bemerkenswert ist, dass das Stück geschrieben wurde, kurz bevor Fromental Halévys nach Rom aufbrach, wo er 5 Jahre lang, in der Villa Medici bleiben sollte. Karl Leich-Galland zufolge (S.10), bekam Fromental Halévy eine einjährige Befreiung, um zu bleiben und seinen Vater zu unterstützen, der kurz zuvor seine Frau verloren hatte. Halévy konnte also erst im Frühjahr 1820, Rom für sich gewinnen.

capture_partition.jpgAbseits seines lyrischen Werks, welches den Großteil seines Schaffens darstellte, komponierte Fromental Halévy eine große Zahl an Melodien, Romanzen und Duette, sowie sieben Psalmen für die israelitische Religionsgemeinschaft (darunter der Psalm 100: Mizmor lessodo, der Psalm 115: Adonai Zehonorou und der Psalm 118: Min hametsar der den Hallel abschließt) und drei Gebete (Schema Israel, Vajehi binsoa hooron, Jigdal)[2]Siehe Ruth Jordan, Fromental Halévy, His Life & Music, London 1994, p. 177.. Außerdem hat er auch katholische Musik komponiert: ein Agnus Dei, ein Gloria in excelsis Deo, aber, wie er selbst schelmisch bemerkte, niemals ein Credo (S.75).

Zu den israelitischen Konsistorialbehörden unterhielt Fromental Halévy, ein höfliches, doch distanziertes Verhältnis. 1851 erklärte sich Halévy dazu bereit, sich innerhalb der ersten Gesangskommission, an der Umstrukturierung der Musik der israelitischen Religionsgemeinschaft zu beteiligen. Die 1852 aufgelöste Kommission wurde erst 1855, dann 1858 reaktiviert. Fromental Halévy hatte das ehrenvolle Amt des Präsidenten inne und half vor seinem Tod im Jahr 1862, die Melodien von Israel Lovy zu veröffentlichen [3]Siehe Artikel von Hervé Roten, « Le patrimoine musical de la Grande Synagogue de la Victoire », La synagogue de la Victoire, 150 ans du judaïsme français, éditions Porte-plume, 2017.

Gegen Ende des Buchs fasst Karl Leich-Galland recht treffend, das Verhältnis von Fromental Halévy zu seinem Jüdischsein, zusammen: „Nach 16 Jahren Ehe, war er überaus erstaunt angesichts der strengen Einhaltung des jüdischen Osterfests in der Familie seiner Frau, 1859 brachte er im persönlichen Gespräch seine Unverständnis für ‚die Frommen, die Gläubigen, die Reinen‘ des Judaismus, zum Ausdruck. Doch das bedeutete keinesfalls einen Bruch mit dem ‚Gott seiner Väter‘ (La Juive, no. 8) und den jüdischen Institutionen. Halévy war Mitglied des Konsistoriums, komponierte für die Synagoge und sagte 1848 öffentlich, bei der Benennung der Kandidaten für die Wahlen zur Nationalversammlung, zum Priester Deguerry, mit einer brüderlichen Umarmung, dass
‚wir zwar denselben Gott lieben, aber doch nicht derselben Religion folgen‘. Im Gegenteil zu anderen Künstlern mit jüdischen Eltern, versuchte Halévy nicht seine religiöse Zugehörigkeit zu verbergen. Es ist daher verständlich, dass der berühmte Komponist der Stolz seiner Glaubensgenossen war.” (p. 128).

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Hören Sie sich die Playlist an: Fromental Halevy, compositeur d’opéra et de chants synagogaux

Lesen Sie die Biografie von Fromental Halévy

References
1 Élie Halphen Levy, Sohn eines Rabbiners, stammte ursprünglich aus Fürth, in Bayern. Zu Zeiten der Revolution kam er nach Frankreich, um die Bürgerrechte zu erhalten. Um 1790 ließ er sich in Paris nieder und wurde Chorist in mehreren Synagogen und heiratete Julie Meyer, eine aus Lothringen stammende Jüdin. 1807 wurde der Vater von Fromental, zu Élie Halévy – ein Name mit revolutionären Untertönen – und ernährte seine Familie durch den Posten als Sekretär am israelitischen Konsistorium von Paris. 1820 veröffentlichte Élie Halévy in Metz eine moralische und religiöse Anweisung für die israelitische Jugend.  Auszug eines Artikels von Olivier Bara, der auf Cairn Info veröffentlicht wurde (https://www.cairn.info/revue-romantisme-2004-3-page-75.htm)
2 Siehe Ruth Jordan, Fromental Halévy, His Life & Music, London 1994, p. 177.
3 Siehe Artikel von Hervé Roten, « Le patrimoine musical de la Grande Synagogue de la Victoire », La synagogue de la Victoire, 150 ans du judaïsme français, éditions Porte-plume, 2017

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