Rossi, Salomone (um 1570-um 1630)

von Hervé Roten

Salomone Rossi, oder Shlomo Mi-ha-Adoumim auf Hebräisch, stammt aus einer alten jüdischen Familie in Mantua, wo er um 1570 geboren wurde. Er profitierte von der Toleranz, die die Herzöge von Mantua den Juden gewährten, und wuchs in relativer Ruhe auf. Die etwa 2.300 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde der Stadt umfasste neun Synagogen und vierundzwanzig Rabbiner. In diesem besonders günstigen Kontext begann der junge Rossi, sich mit der gelehrten Musik vertraut zu machen.

Der in der Renaissance herrschende Geist der Offenheit ermutigte damals ein aufgeklärtes Publikum von jüdischen Musikliebhabern, sich den musikalischen Praktiken ihrer Zeit zu öffnen. Die Existenz von Musik- und Tanzschulen ist in Venedig bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts belegt. Am Ende desselben Jahrhunderts traten jüdische Komponisten und Musiker wie Giuseppe Ebreo und Guglielmo Ebreo hervor. Das Wort „Ebreo“, das – wahrscheinlich auf Anordnung des Zensors – dem Namen des Komponisten hinzugefügte wurde, erlaubte dabei, die jüdische Herkunft die beiden Musiker formal zu identifizieren. Die Bezeichnung wurde im Übrigen auf alle italienisch-jüdischen Komponisten dieser Zeit angewandt.

Im Laufe des 16. Jahrhunderts und bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts öffnete der Gonzaga-Hof von Mantua vielen jüdischen Musikern seine Tore. Salomone Rossi, genannt „el Ebreo del Mantova“ (der Jude von Mantua), taucht erstmals 1587 in den Registern des Hofes auf, zunächst als Chorsänger, dann als Bratschist und schließlich als Komponist. Seine ersten Kompositionen, ein Buch mit dreistimmigen Canzonetti (1589) und ein Buch mit fünfstimmigen Madrigalen (1600), sind dem Herzog Vicenzo Gonzaga gewidmet. Dieser befreite ihn im Gegenzug 1606 davon, die typischen Kleiderabzeichen zu trage, die die Juden markierten. Trotz dieser relativen Integration hat Rossi seine Zugehörigkeit zum Judentum nie verleugnet.

Mehr als vierzig Jahre lang stand Salomone Rossi in den Diensten der Herzöge Vicenzo und Fernando Gonzaga. Von 1590 bis 1612 arbeitete er an der Seite von Claudio Monteverdi (1567-1643), dem genialen Schöpfer des „Orfeo“. Seine Madrigale wurden jedoch nicht von Monteverdi beeinflusst. Im Jahr 1630 wurde Mantua von österreichischen Truppen belagert und geplündert. Dadurch waren die meisten Juden gezwungen, aus der Stadt zu fliehen. Die Spur von Rossi verliert sich an diesem Moment; angenommen werden kann, dass er bald darauf starb, vielleicht an der Pest.

Zu seinen Lebzeiten erschienen seine Kompositionen im Rahmen von fünfundzwanzig Publikationen. Sein Werk ist beeindruckend: fast dreihundert Stücke, hauptsächlich Vokalwerke (Canzonetti, Duette, Trios und Madrigale auf Gedichte italienischer Autoren der Zeit), aber auch instrumentale Stücke, mit denen er zur Entwicklung des geigerischen Stils und zur Ausarbeitung der Barocksonate beitrug.

Rossis jüdische Werke wurden in einer zweibändigen Sammlung veröffentlicht, die 1622/23 in Venedig unter dem Titel „Hashirim asher lish’lomo“ („Lieder Salomos“) gedruckt wurde und 33 hebräische geistliche Lieder für drei- bis achtstimmigen Chor enthält. Der Titel dieser Sammlung hat oft zu Verwirrung geführt: Keiner der Texte stammt aus dem König Salomon zugeschriebenen Hohelied. Die Sammlung besteht vielmehr aus etwa zwanzig Psalmen und zehn Hymnen oder Liedern, der „Salomon“ im Titel bezieht sich also auf Salamone Rossi selbst.

Die Bedeutung dieser Chöre – abgesehen von ihrer unbestreitbaren Schönheit – liegt in der Tatsache, dass sie einen der allerersten Versuche darstellen, mehrstimmige Gelehrtenmusik in den synagogalen Gottesdienst einzuführen. Sie zeugen ebenso von den reformistischen Ideen, die damals die italienischen Gemeinden bewegten. Diese Ideen wurden vor allem von einer bemerkenswerten Figur unterstützt, Rabbi Leo von Modena (1571-1648).

Dieser war ein wahrer „Tausendsassa“ (er behauptete, im Laufe seiner Karriere nicht weniger als sechsundzwanzig verschiedene Berufe ausgeübt zu haben!) und führte bereits 1605 in der Synagoge der Gemeinde von Ferrara anlässlich bestimmter Schabbat- und Festtage Chöre ein. Sein ganzes Leben lang verteidigte er die Idee der Notwendigkeit einer Erneuerung der synagogalen Musik, die er für veraltet hielt. So ist es nur natürlich, dass er der ersten Ausgabe der „Lieder Salomos“ 1622-23 ein Vorwort voranstellt, um so den Einzug der musikalischen Sprache seiner Zeitgenossen in die Synagoge zu fordern.

Dieser reformatorische Trend sollte sich jedoch nicht in allen italienischen Synagogen durchsetzen; die „Lieder Salomos“ wurden dort wahrscheinlich nur wenige Male aufgeführt. Dabei muss man wissen, dass die von Rossi verwendete musikalische Sprache die Traditionen der synagogalen Musik und ihrer Kantillationen völlig außer Acht lässt. Rossi wandte die seit über einem halben Jahrhundert in Venedig entwickelte melodische Sprache auf hebräische Texte an. Er blieb damit zumeist hinter den Neuerungen Monteverdis zurück und erinnert eher an seine Zeitgenossen Lassus oder Viadana.

Erst im 19. Jahrhundert und durch die musikwissenschaftliche Arbeit des Kantors Samuel Naumbourg (1817-1880) in Zusammenarbeit mit dem damals fünfundzwanzigjährigen Vincent d’Indy (1851-1931) erlangte das synagogale Werk von Salomone Rossi schließlich Aufnahme in das Repertoire der französischen und ausländischen Synagogen.

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